Und täglich grüßt das Grübeltier


Pixabay Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke



Wir Menschen wuchsen teils bewusst, großteils unbewusst damit auf, auf unsere Gefühle und Glaubenssätze zu hören. „Höre auf dein Bauchgefühl“., „Entscheide nach Gefühl“. „Ich habe rational darüber nachgedacht und entscheide mich daher deshalb so und so“ oder „aus Vernunftsgründen wird diese oder jene Entscheidung darüber gefällt“ sind Aussagen, die dieses Verhalten bestätigen. Es wird kaum darüber nachgedacht, dass die Gefühle durch Muster überlagert sein könnten und somit auch nicht unbedingt eins zu eins übernommen werden können.

Es kommt kaum jemanden in den Sinn, dass es auch eine andere Möglichkeit geben könnte, als dass was wir gerade spüren und glauben, denn schließlich ist es ja gerade da. Wir nehmen es wahr. Also halten wir es auch für echt. Wir sind vollständig davon überzeugt, dass es so ist wie es ist. Wir hatten unsere Eltern, Nachbarn, Lehrer, Freunde etc. als Vorbild. Sie lebten es so, also ist es so, oder?

Was aber passiert, wenn wir genau das hinterfragen? Wenn wir unangenehme Gefühle und Glaubenssätze nicht mehr hinnehmen wollen und stattdessen sagen: „Es ist genug! Ich will das nicht mehr so haben, egal was die anderen sagen oder denken, egal was ich fühle oder glaube“. Was passiert, wenn wir uns stattdessen fragen: „Ist das wirklich so? Muss das wirklich so sein?“ und in uns die Entscheidung treffen: „Ab sofort wird es anders“.

Ich war jahrzehntelang vollständig mit den Gefühlen und Glaubenssätzen identifiziert. Mir wäre niemals eingefallen, dass es da überhaupt eine Wahl geben könnte. Ich war auch mit den üblichen Glaubenssätzen: „Ich bin so wie ich bin“ und „Ich bin meine Gefühle“ voll und ganz identifiziert. Ich hielt alle meine Glaubenssätze für echt und natürlich auch meine Gefühle. Ich war negativ ausgerichtet, jammerte gerne, war unkontrolliert zornig und oft schlecht gelaunt oder ängstlich oder depressiv.  Ich wusste nicht was ich wollte und lebte in Abhängigkeiten (Partnerschaft, Anerkennung, Liebe). Aber dann veränderte sich etwas Grundlegendes. Ich wollte dieses immer wieder neu in Dramen hineinfallen nicht mehr haben, wollte nicht mehr leiden, mich nicht mehr hilflos ausgeliefert fühlen, wollte nicht mehr das Gefühl haben, dass ich darauf keinen Einfluss habe. Ich wollte nicht mehr von allem im Außen oder den automatisierten Gedanken und Gefühlen in mir abhängig sein.

Daher traf ich bewusst die Entscheidung davon auszusteigen und alles dafür zu tun, was dafür immer notwendig war, und das obwohl der Glaubenssatz da war: „Das kann ich nicht verändern!“  Ich wusste, das will ich nicht mehr so haben, aber hatte auch gleichzeitig keine Ahnung, wie ich das jetzt angehen kann. Damals wusste ich noch nicht bewusst, dass ich einen neuen Glaubenssatz in mein Gehirn programmierte: „Damit ist jetzt Schluss, ab sofort ist es anders“.

Also finge ich an alles zu beobachten. Mich selbst, die Art und Weise wie ich dachte, fühlte, reagierte. Wie der Körper reagierte, wenn ich die Glaubenssätze veränderte oder Glaubenssätze anderer Personen übernahm. Ich beobachtete die anderen Personen. Warum erkannten sie nicht, dass sie in einem Muster steckten? Warum identifizierten sie sich damit und was hielt sie davon ab auszusteigen? Warum sehe ich das gerade an der anderen Person? Hat das mit mir etwas zu tun? Wenn ja, warum und wie gehe ich damit um? Wie kann ich aus meinen eigenen Mustern aussteigen?

Außerdem recherchierte ich viel. Ich setzte mich intensiv mit der Funktionsweise des Gehirns auseinander. Wie funktioniert es? Warum funktioniert es so? Kann man es umprogrammieren und wie?  Ich fühlte mich wie die Mitfahrerin eines hochkomplexen Gefährts, welches es nicht im Ansatz beherrschte. Das Fahrzeug fuhr mich, aber nicht ich das Fahrzeug. Ich hatte keine Ahnung was dieser Körper alles kann, weil ich mich damit zu wenig auseinandergesetzt hatte. Ich wollte mich von der Mitfahrerin zur Fahrerin umprogrammieren. Ich beschäftigte mich intensiv mit sogenannten „Erleuchteten“. Was machten die anders als wir „Normalbürger“?

 Ich machte über ein Jahrzehnt die unterschiedlichsten körpertherapeutischen Ausbildungen, lernte zu meditieren, machte Chi Gong, Yoga, Pilates, setzte mich intensiv mit Coaching, Trainings, wie lernt das Gehirn und dem Körper und wie dieser funktionierte auseinander. Ich fing zum Tango Argentino tanzen an, weil ich darin einen Spiegel der Kommunikation erkannte. Alles was man denkt, fühlt und tut hatte sofort einen Einfluss auf mein Gegenüber. Ich wollte einfache alles verstehen und finden, was mir bei der Veränderung helfen würde.

Was kam heraus?  Die Erkenntnis, dass wir nicht unsere Gedanken und Gefühle sind. Wir haben in uns mehrere Kräfte, die wir nutzen können. Einerseits eine Art „neutralen Beobachter“.  Eine Instanz, die uns dabei hilft, all das was wir fokussieren bewusst und neutral wahrzunehmen. Zusätzlich gibt es eine Art Bewertungssystem, das sich sehr oft sofort, manchmal auch mit Zeitverzögerung dazu schaltet. Nach diesem Bewertungssystem richten wir unseren täglichen Ablauf. Dies ist die Fähigkeit des Gehirns Informationen über die Sinne automatisiert wahrzunehmen, mit bestehenden Erinnerungsnetzwerken zu vergleichen und aufgrund dessen auf Erinnerungen mit Bewertungen zu reagieren, die wir in Form von Glaubenssätzen und Gefühlen wahrnehmen können. Wir halten diese alten Erinnerungen für real und reagieren somit immer unter dem Einfluss der Vergangenheit. Dieses automatisierte Reagieren ist willentlich nicht beinflussbar. Da das ständig und regelmäßig passiert, identifizieren wir uns damit.

Durch die Erfahrungen und den damit verbundenen Glaubenssätzen, Gefühlen und der Stärke der Identifikation, entwickelten wir unterschiedliche Persönlichkeitsstrukturen, die je nach Situation und unterschiedlichen Personen, denen wir begegnen, an die Oberfläche kommen und die Führung übernehmen. Diese Persönlichkeitsstrukturen sind in manchen Fällen sehr hinderlich und schaden uns, in anderen Fällen wiederum sehr unterstützend.  Solange wir das als gegeben und so ist es hinnehmen, ändert sich auch nichts. Es ändern sich zwar ständig die Umstände, aber die Art und Weise wie wir reagieren bleibt immer ähnlich.

Wenn man beginnt seine eigenen Reaktionen zu hinterfragen, ist der erste Schritt für Veränderungsmöglichkeiten getan.

Aussagen wie: „Das ist nur ein automatisiertes Muster des Gehirns dieses Körpers, das da abläuft“ oder „Stopp, das Muster beende ich jetzt“ können den automatisierten Prozess unterbrechen. Den Fokus daraufhin auf einen Perspektivwechsel zu bringen (bspw. bewusst in die Rolle des neutralen Beobachters zu gehen oder sich auf die Suche des Gegenteils zu machen – jeder negative Aspekt hat immer auch einen positiven Aspekt) kann ebenfalls helfen. Auch eine bewusste Entscheidung für einen Perspektivwechsel hilft.
Sehr unterstützend ist auch sich selbst Fragen zu stellen, wie u.a.  „Tut mir das, was gerade in diesem Körper passiert gut?“ Wenn ein nein kommt, nachfragen „Was muss ich jetzt ändern, damit sich dieser Körper wohl fühlen kann?“ oder „Welcher Glaubenssatz hat gerade dieses Gefühl ausgelöst?“ oder „Welchen Glaubenssatz braucht es, dass sich das gerade vorhandene Gefühl in das Gefühl von……… ändert?“. „Tut mir/diesen Körper der jetzt vorhandene Glaubenssatz gut?“ Es hilft auch, dabei bewusst den „neutralen Beobachter“ mitzuschalten und immer wieder zu wechseln zwischen diesem und dem momentanen Bewertungssystem. Es zeigt, dass je mehr Abstand man zur Sache erhält, desto mehr es auch an Dramatik verliert. Es zeigt, dass man tatsächlich bewusst aussteigen kann. Es zeigt aber auch, dass man bewusst die Entscheidung treffen kann, weiterhin im Drama zu bleiben. Es verändert auch einiges, wenn man sich bewusst für ein Drama entscheidet. Man hat nicht mehr das Gefühl hilflos ausgeliefert zu sein.  Man kann das Drama und seine Glaubenssätze und Gefühle beobachten und somit verstehen lernen und sich auf die Suche der positiven Aspekte des Dramas machen.  

Sobald einem bewusst wird, was da im Körper automatisiert abläuft, sagen: „Danke, dass es mir aufgefallen ist“. Sich selbst zu verurteilen bringt einen noch stärker in die Identifikation und vermittelt das Gefühl der „Bestätigung, dass der Glaubenssatz und das Gefühl ja echt sind“ und es zieht einen noch tiefer in die Identifikation hinein. Je tiefer man sich damit identifiziert, desto eingeschränkter wird die Wahrnehmung und somit auch das Aussteigen immer schwieriger.

Was hat sich rückblickend betrachtet bei mir verändert? So viel, dass aus mir eine andere Persönlichkeit geworden ist. Bin ich jetzt ohne jegliche Identifizierung bzw. sogar „erleuchtet“? Nein, es gibt Phasen von leichten bis starken Identifizierungen mit den abgespeicherten Gedanken und Gefühlen. Dann fühle ich mich, wie in dem Film: „Und täglich grüßt das Murmeltier.“ Wenn diese allerdings da sind, ist auch der neutrale Beobachter sehr präsent, der damit gleichzeitig auch eine Art Kraft/Halt gibt und das Gefühl, auch das darf sein. Da ich diese Phasen intensiv beobachte ist die Identifikation nicht mehr so stark da. Daher sind diese Phasen kürzer als früher und viel bewusster. Ich entscheide mich jetzt öfter, wenn automatisierte Muster hochkommen,  nicht mehr in die negativen Phasen einsteigen zu wollen. Auch Fragen wie „Wie würde ich jetzt handeln, wenn ich dieses automatisierte Muster nicht hätte?“ haben mich sehr weitergebracht. Ich entscheide mich dann so, als wären die Muster nicht da und das öffnet komplett neue Möglichkeiten und Sichtweisen.

Es gibt auch sehr intensive Phasen der starken Weisheit und Verbundenheit mit dieser inneren Kraft, die sich in mir entwickelt hat und somit der Erkenntnis, dass alles was ich brauche bereits da ist in mir. Wenn ich damit verbunden bin, fühle ich mich authentisch. Da ich weiß, dass diese Kraft immer da ist, suche ich den Halt auch weniger im außen. Stattdessen suche ich nach Möglichkeiten, wie ich noch tiefer in diesen inneren Halt eintauchen kann. Ich freue mich über jede neue Erkenntnis, lebe im Dankbarkeitsmodus, lerne mit mir selbst und anderen erfolgreicher zu kommunizieren und achte darauf proaktiv und lösungsorientiert zu leben.  Ich übe mich im tief Eintauchen und wieder Loslassen, experimentiere weiterhin mit Kommunikation, Perspektivwechsel und Eintauchen in diese Weite des Seins.  Für mich ist das Leben hier zum Abenteuerspielplatz geworden.

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