Einleitung
Der Satz „ich würde ja gerne, aber …“ wird allgemein oft und gerne eingesetzt und war auch viele Jahre mein eigener Begleiter. Unter anderem fand er sich auch im: „Ich würde ja gerne singen, aber leider bin ich nicht gut genug“ oder „Ich hätte ja eigentlich gerne Klavierspielen gelernt und getanzt, aber leider haben mich meine Eltern da nicht unterstützt“ oder „Ich würde ja gerne die Matura machen und studieren, aber leider waren die Lebensumstände ungerecht zu mir“ usw. wieder.
Trotzdem
Unser Gehirn benutzt das Bewertungssystem, um Erfahrungen möglichst rasch in eine bestimmte Schublade speichern zu können. Diese Erfahrungen werden mit unseren aktuellen Bewertungssystem, unserem Gefühlen und auf der unbewussten Ebene mit früher gemachten Erfahrungen verglichen und in eine „So ist es Schublade“ gesteckt.
Was wir tun, sagen, denken usw. wird bewertet und mit Gefühlen (oft unbewusst) belegt. Wir verlassen uns so auf dieses Bewertungssystem, bzw. identifizieren uns so stark damit, dass es uns nicht in den Sinn kommt diese Bewertungen und Gefühle zu hinterfragen. Wir gehen sogar so weit, dass wir den Großteil unserer Gefühle/Glaubenssätze und Werte einfach Glauben schenken. So nach dem Motto „das, was ich denke/fühle“ bin ich. Dies hat allerdings den Nachteil, dass eine Änderung oder Weiterentwicklung unserer Persönlichkeit so nicht wirklich möglich ist, speziell dann, wenn wir uns das eigentlich wünschen. Stattdessen benutzen wir Aussagen wie: „Ich würde ja gerne, aber …“ und wir beschuldigen uns selbst/andere/oder das Leben insgesamt als unfair und jammern über unsere Situation und unser armes Leben, statt unsere eigene Gehirnfunktion zu hinterfragen und uns über Lösungsmöglichkeiten Gedanken zu machen.
Wollen wir jemand anderer werden, wollen wir anders denken und fühlen, wollen wir eigentlich kreative Seiten in uns finden und ausleben, müssen wir unsere eigenen bestehenden Gedanken/Überzeugungen und Gefühle infrage stellen.
- Will ich das weiter glauben?
- Will ich das weiter fühlen?
- Ist das, was ich lebe, denke und fühle wirklich stimmig für mich?
- Was will ich stattdessen?
- Wie würde ich eigentlich gerne leben, wenn ich könnte/gut genug wäre, alle Wege offen stehen würden?
Ja, und es ist eine echte Herausforderung aus diesem Altbekannten auszusteigen, denn schließlich haben wir es ja jahrelang gefüttert und es wurde sowohl von außen als auch in uns selbst bestätigt. Es fühlt sich ja so verdammt echt und wahr an. Das, was wir Wahrheit nennen, sind die Wahrnehmungen, die wir empfinden, nur haben diese mit der Realität wenig bis gar nichts zu tun.
Unser Gehirn arbeitet wie ein PC. Alles was abgespeichert ist, sind Erfahrungen, die wir bereits gemacht haben. Wollen wir also neue Erfahrungen erleben, müssen wir neugierig und offen bleiben und neue Daten sammeln. Es wird an der Zeit, dass, was wir denken und fühlen ernsthaft zu hinterfragen und es nicht mehr als „wahr“ anzunehmen und uns stattdessen auf experimentelles Neuland begeben, trotzdem sich in uns Angst, Sorge, Wut, etc. sowie Überzeugungen breitmachen, die uns auf der alten Bahn behalten wollen.
Beobachte mal ganz genau, wie dein Gehirn arbeitet, besonders vor dem Schlafengehen, wenn diese Übergangsphase vom Wach- zum Schlafbewusstsein erfolgt. Welche Bilder, Filme, Realitäten da auftauchen, mit Glaubenssätzen und Gefühlen verbunden werden und gleich wieder durch andere neue Realitäten ersetzt werden. In jeder fühlen wir uns real und erkennen erst den Unterschied, wenn das Programm wechselt. Im Grunde passiert das gleiche auch im Wachbewusstsein. Der einzige Unterschied besteht darin, dass wir uns länger in einer Realität aufhalten und deshalb so lange an denselben Überzeugungen und Gefühlen festhalten, dass wir deshalb nicht mitbekommen, dass „diese Realität trotzdem auch nur wieder ein Konstrukt ist“. Damit wir das durchschauen können, brauchen wir einen Perspektivwechsel, der uns durch die Unterscheidung das Erkennen ermöglicht.
Was uns auch unterstützen kann, ist andere Personen und Personengruppen zu beobachten. Genauso wie es uns auffällt, dass die sich in etwas verrannt haben, fällt es ihnen auch bei uns auf. Warum ist es so leicht bei Anderen zu erkennen, aber wir selbst bleiben Gefangene unserer eigenen Illusionen? Das liegt nicht an uns als Person (wir neigen ja dazu uns selbst oder anderen dafür die Schuld zuzuschieben), nein es liegt einfach an der Funktionsweise des Gehirns. Es lernt nur durch Unterschiede. Es braucht verschiedene Elemente, die es miteinander vergleichen kann. Aber nicht nur so, als würden wir bspw. vor einem riesigen Bild stehen und einer erzählt er sieht eine blaue Blume und der andere meint, „nein da ist ein Baum“. Wir müssen es tatsächlich mit einem Perspektivwechsel machen. Das bedeutet wir begeben uns wirklich auf den Platz der anderen Person (der anderen Meinung) und schauen bewusst (neugierig und offen) hin.
Wenn wir das tun, weiß es nicht nur der analytische Verstand, sondern wir spüren es auch im Körper und es entsteht ein „Aha-Erlebnis“ Es wird zur Realität, dass es von der einen Seite betrachtet eine blaue Blume gibt und von der anderen Seite betrachtet es ein Baum ist. Jeder Blickwinkel entspricht der Wahrheit (wahrnehmen), aber keiner ist real. Denn eigentlich, aus der Metaebene betrachtet, ist es eine riesige Blumenwiese an einem Waldrand neben einem See und von noch weiter weg betrachtet wird es ein Naturschutzgebiet und von noch weiter weg betrachtet wird es ein Punkt auf einem Kontinent usw.
Da keiner von uns fähig ist, das ganze Bild zu betrachten, kann jeder von uns nur einen kleinen Ausschnitt davon ausmachen.
Deshalb sollten wir, statt einander zu verurteilen, neugierig ausfragen: „Ah interessant, was siehst du da? Wie nimmst du das wahr? Das unterstützt unsere eigenen Gehirnfunktion, lässt Einschränkungen und somit unsere Konstrukte besser wahrnehmen. Das Erkennen wiederum hilft uns, eine andere Betrachtungsweise einzunehmen. Es verändert sich dadurch unser Bewertungssystem und stellt somit unsere eigenen Überzeugungen infrage.
Wenn wir bestimmte Netzwerke mit Informationen füttern und diese regelmäßig abrufen, werden diese Nervenbahnen noch tiefer ins Gedächtnis eingeprägt. Wenn wir fokussieren, blendet das Gehirn alles rundherum aus. Ein bewusster Perspektivwechsel, Neugier und Interesse hilft uns bewusster wahrzunehmen und unsere eigenen Einschränkungen zu erkennen.
Wenn wir uns also verändern möchten, braucht es:
1. die Entscheidung, dass wir die Veränderung möchten
2. Neugier, Offenheit und Experimentierfreude und Trotzdem
3. Trotzdem neue Perspektiven ausprobieren, Dinge zu machen, obwohl negative Gefühle oder einengende Glaubenssätze vorhanden sind, die uns „vermeintlich“ davon abhalten.
Trotzdem, bedeutet sich nach unseren innersten Wünschen und Bedürfnisse zu richten und nicht nach dem bestehenden Glaubens-, Bewertungs- und Gefühlssystem. Ganz tief in uns drinnen, sind Wünsche und Bedürfnisse, die wir uns nicht erlauben, weil Sie durch unser Bewertungssystem zurückgehalten werden.
Sich zu verändern, bewirkt automatisch, dass Angst hochkommt und ganz viel von dem Bewertungssystem. Schließlich brauchen wir Sicherheit und beim Betreten von Neuland steht am Anfang keine Sicherheit zur Verfügung. Wir wissen noch nicht, wie es auf diese Art sein wird. Aber, es begleitet uns nicht nur Angst und viel Bewertung. Es gibt noch andere Begleiter: die Hoffnung, die Zuversicht, die Neugier, das Interesse, die Aufregung usw….. Wenn wir unseren Fokus weg von der Angst und Bewertung (setze sie auf eine Bank oder stelle das Radio leiser) hin zu den neuen Begleitern bringen, wird es leichter, die ersten Schritte in Richtung trotzdem zu setzen. Und ich verspreche euch, sobald mal eine Hürde genommen wurde, entsteht Befreiung und Euphorie kommt hoch und ihr entdeckt wunderbare neue Seiten an euch, von denen ihr keine Ahnung hattet, dass diese tatsächlich da sind.
In meinem Fall: Ich singe und spiele Klavier (immer noch ohne musikalischer Ausbildung), komponiere inzwischen sogar Lieder, spiele Ukulele, tanze Tango Argentino und unterrichte ihn sogar und ich habe die Matura (in Form der Berufsreifeprüfung) nachgeholt und arbeite gerade an meiner Masterarbeit, obwohl das aus früherer Sicht für mich niemals infrage gekommen wäre.
Es ist vielleicht nicht alles umsetzbar, aber sehr viel mehr als du glaubst und vor allem das wichtigste: Es wird nicht so gehen, wie dein analytischer Verstand es erhofft, erträumst oder geplant hat. Stattdessen lasse dich von deinem kreativen Gehirn leiten. Dieses arbeitet nicht linear. Es bringt die Informationen eher in Puzzleteilchen. Bei manchen, weiß man wo sie hingehören, bei anderen muss man auf ein paar Puzzleteilchen warten, bis es auch die analytische Seite versteht. Es kommt auch nicht in dem Tempo auf uns zu, wie der Verstand es will, sondern die kreative Seite gibt uns Impulse. Diese kommen nur, wenn wir loslassen und vertrauen. Mit Zwang und muss wird der Informationsfluss blockiert.
Lasst du dich darauf ein, passen die Ergebnisse stimmiger und besser zu dir, als du es vorher geplant und gewünscht hast. Es macht dich authentisch und frei.